Skip to content

Voraussetzung für eine altersgerechte Sprachentwicklung bei Kindern ist zunächst ein gutes Hörvermögen sowie eine altersgemäße körperliche und mentale Entwicklung. Die zweite Grundlage für das Sprechen ist, dass die einzelnen Sprachlaute durch fein differenzierte Zungen- und Mundbewegungen gebildet werden können.

So trainiert ein Baby bereits Zunge, Lippen, Rachen und Stimmbildung durch Saugen, Schlucken, Brabbeln sowie durch das Betasten und das In-den-Mund-Stecken von Gegenständen. Ab einem Alter von etwa sechs Monaten probieren und üben Säuglinge mit ihrem „Lallen“ die ersten gezielten Lautäußerungen.

Die ersten Worte sprechen Kinder um das erste Lebensjahr.

‚Fahrplan‘ für eine altersgerechte Artikulationsentwicklung

Das weitere Erlernen der verschiedenen Laute (Artikulationsentwicklung) folgt bestimmten Mustern. So werden Laute der vorderen Artikulationszone als erstes erlernt (Mama, Papa, dada), anschließend folgen die Laute der mittleren und als letztes der hinteren Artikulationszone mit Lauten wie G/K/R. Vom zeitlichen Ablauf her werden die Zischlaute wie S/SCH meist als letztes richtig gebildet. Diese Fähigkeit sollte mit Ende des vierten Lebensjahres erworben sein.

Auch der Wortschatz erweitert sich bei kleinen Kindern rasant. So kann um das zweite Lebensjahr herum bereits ein Wortschatz um die 50 Worte erwartet werden. In diesem Alter formulieren Kleinkinder im Bereich der Grammatikentwicklung bereits Zweiwortsätze. Zusätzlich ist bereits ein Verständnis für die Zuordnungen ‚unter‘/‘über‘/‘neben‘/‘in‘/‘ein‘ sowie für Mengen vorhanden.

Rezeptives Sprachvermögen geht voran

Wesentliches Merkmal der Sprachentwicklung ist auch, dass das rezeptive Sprachverständnis den aktiven Äußerungen der Kinder häufig deutlich voraus ist. Kinder ‚verstehen‘ also sehr viel mehr, auch wenn sie sich produktiv noch nicht im gleichen Maße verständlich machen können.

Die Hauptursachen für Sprachentwicklungsstörungen sind vor allem in temporären oder bleibenden Hörstörungen zu suchen. Aber auch eine frühkindliche Hirnschädigung, genetische Faktoren, psychische Gründe (beispielsweise die Trennung der Eltern) oder soziokulturelle Probleme wie mangelnde Sprachanregung oder Mehrsprachigkeit können eine Sprachentwicklungsverzögerung oder -störung verursachen.

Auffälligkeiten bei der Entwicklung der Sprache machen sich ab Ende des ersten Lebensjahres bemerkbar, wenn die Bildung der ersten Worte verzögert einsetzt und zuvor keine Lallphase durchlaufen wurde.

Auffälligkeiten zeigen sich um das erste Lebensjahr

Der erste große Meilenstein der Sprachentwicklung wird um den zweiten Geburtstag zur U7 überprüft. Zu diesem Zeitpunkt wird eine weitgehend verständliche Lautbildung, ein aktives Sprechen von etwa 50 Worten, die Verwendung von Zweiwortsätzen und ein gutes Sprachverständnis von circa 250 Worten sowie das Umsetzung von Aufforderungen als altersgerecht erwartet.

Diese Anforderungen schaffen nicht alle Kinder. 10 bis 20 Prozent aller Zweijährigen werden als „Late Talker“ bezeichnet – auch, um den Unterschieden im Entwicklungstempo von Kleinkindern gerecht zu werden. Denn etwa die Hälfte der „late-talker“ holt seinen Sprachrückstand bis zum dritten Geburtstag auf und wird zum „Late Bloomer“. Für die übrigen Kinder aus dieser Gruppe ist eine Förderung der Sprachentwicklung angezeigt, zum Beispiel mit Logopädie.

Unverständliche Äußerungen behindern soziale Kontakte

Ebenfalls ab dem Alter von 2 bis 2,6 Jahren können Kinder ein Störungsbewusstsein für ihre auffällige Sprache entwickeln. Mit zunehmender Selbstreflexion werden die Situation des Nicht-verstanden-Werdens, des sich Nicht-verständlich-ausdrücken-Könnens als große Frustration erlebt.

Während das Kind in der Familie häufig noch gut verstanden wird, tun sich Fremde wie Erzieher oder vor allem Spielkameraden schwer, und so kann es zum Ausschluss, Streitigkeiten oder Verhaltensauffälligkeiten beim Kontakt mit anderen Kindern kommen. Auffälligkeiten bei der Sprachentwicklung von Kindern sollten daher immer ernst genommen werden, da sie neben Hörstörungen auch allgemeine Entwicklungsverzögerungen anzeigen können.

Störungen der Artikulationsentwicklung (Dyslalie) können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Auffällig ist die fehlerhafte und undeutliche Aussprache von Lauten und Lautgruppen, die das Verstehen von Worten und Sätzen beeinträchtigen.

Neben leichten Auffälligkeiten, wenn einzelne Laute wie das „R“ oder die Zischlaute (S/SCH) nicht korrekt gebildet werden können, gibt es komplexe Artikulationsstörungen, die ganze Lautgruppen betreffen und die Aussprache des Kindes sehr schwer verständlich machen.

Je älter das Kind ist, umso größer ist der Leidensdruck, wenn seine Äußerungen nicht verstanden werden und die Kommunikation, beispielsweise mit Gleichaltrigen, nur mit Mühe möglich ist.

Unterschied zwischen phonetischen und phonologischen Störungen

Bei einer phonetischen Störung gelingt die Aussprache eines oder mehrerer Laute sprechmotorisch nicht richtig, auch isoliert kann der Laut nicht gebildet werden und wird weggelassen oder ersetzt, häufig betroffene Laute sind beispielsweise das „S“ oder das „R“.

Phonologischen Störungen sind dagegen Sprachstörungen. Das Kind kann also den Laut zwar richtig sprechen, ihn aber nicht korrekt anwenden, die Aussprache eines Lautes gelingt im sprachlichen Kontext nicht störungsfrei. So kann also der betroffene Laut zwar isoliert gebildet werden, jedoch ist das zugrundeliegende Regelsystem der Artikulation gestört.

Beispiele dafür sind Ersetzungen (Schule -> Sule, Kissen -> Tissen), Lautauslassungen (Knopf -> Nopf, Blume -> Bume). Auch können bedeutungsunterscheidende Merkmale von Sprachlauten fehlen. So werden ähnlich klingende Laute (wie K/T) nicht sicher voneinander unterschieden (Tanne/Kanne).

Häufig kommt es bei Artikulationsstörungen zu Mischformen, den sogenannten phonetisch-phonologischen Störungen.

Hörverarbeitung und Hörwahrnehmung muss bei einer phonetisch-phonologischen Störung getestet werden

Bei Störungen in der Entwicklung der Laute sollte immer eine Abklärung des Hörvermögens erfolgen, denn nicht selten sind unerkannte Hörstörungen die Ursache für die Lautbildungsstörung. Auch Probleme in der Hörverarbeitung und Hörwahrnehmung (auditive Lautdiskriminierung und eine AVWS) können für Aussprachefehler verantwortlich sein.

Nicht behandelte oder nicht ausreichend therapierte Aussprachefehler können später zu Schwierigkeiten in der Schule führen. Bei Störungen im phonologisch-phonetischen Bereich kommt es beim Lese-Schreiberwerb zu Problemen: Diese zeigen sich u.a. in der mangelnden Fähigkeit, einzelne Buchstaben zu unterscheiden, eine Kompetenz, die für das Schreiben- und Lesenlernen wesentliche Voraussetzung ist.

Bei Wortschatzdefiziten werden häufig Gestik und Mimik anstelle des Wortes benutzt – oder Umschreibungen sowie Ersetzungen (Wau-Wau statt Hund) und Generalisierungen (ein Wort steht für mehrere andere) zur Kommunikation verwendet. Denn ist der Wortschatz eingeschränkt, hat das Kind Probleme, Dinge richtig zu benennen, es braucht länger zum beschreiben und „sucht“ das richtige Wort. Auch das Wiederholen der Frage, statt deren Beantwortung kann ein Zeichen für Wortschatzdefizite und Probleme beim Verstehen von Wortbedeutungen sein.

Grundlage für das Sprechen ist der Wortschatzerwerb

Bereits im Lauf des ersten Lebensjahrs werden wichtige Vorläuferfähigkeiten für die spätere aktive Wortproduktion erworben. Die mentale Verknüpfung eines Worte mit einem Gegenstand (Kind sieht einen Ball und hört dazu das Wort „Ball“) ist ein erster Schritt. Die Loslösung des Wortes von dem konkreten Gegenstand (Das Kind erkennt das Bild eines Balles in einem Buch) folgt als nächstes. So ist der altersgerechte Wortschatzerwerb die Voraussetzung für die spätere Artikulation dieser Begriffe.

Wortschatzspurt um den dem zweiten Geburtstag

Nach dem Lernen der ersten Worte über einen relativ langen Zeitraum steigt in der Regel um den zweiten Geburtstag herum die Geschwindigkeit des Wortschatzerwerbes rasch an. Mit diesem „Wortschatzspurt“ lernen Kinder fast täglich neue Worte, das Fragealter hat begonnen. Dabei ist das Erlernen von Worten ein sehr komplexer Prozess. Die Kinder müssen Wortbedeutungen aufbauen, diese mit verschiedenen Wortformen verbinden und sich die Wörter in beiden Formen, rezeptiv (Bedeutung, Verstehen) sowie produktiv (Aussprache) merken.

Das Erlernen der grammatikalischen Strukturen der Muttersprache erfolgt wie die Wortschatzentwicklung in mehreren Phasen. Nach anfänglichen Einwortsätzen können Kinder im zweiten Lebensjahr Zweiwortsätze („Baby aua“, „Mama tomm!“) sprechen. Mit zunehmenden Alter wird die Verwendung von Substantiven, Adjektiven und Verben, die Satzstellung, sowie ihre Beugungsformen erlernt und aktiv eingesetzt. Bereits ab dem dritten Lebensjahr sollten Kinder in der Lage sein, Drei- und Mehrwortsätze mit dem „Subjekt-Prädikat-Objekt-Prinzip“ der deutschen Sprache zu bilden. Der Übergang in die letzte Phase ist ein fließender Prozess und beinhaltet den Abschluss des Erwerbs der grammatikalischen Fälle (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ). Darüber hinaus beginnt das Kind damit, komplexere Sätze zu bilden.

Dysgrammatismus behindert schulisches Lernen

Liegen Störungen in der Anwendung des korrekten grammatikalischen Regelsystems vor, wird dies auch als „Dysgrammatismus“ bezeichnet. Das betroffene Kind hat im Alltag Schwierigkeiten mit der Artikel-, Plural- und Satzbildung (zum Beispiel sagt es „Das Hund schwarz ist.“, „Der Vögel in Himmel fliegen.“). Neben den hörbaren Einschränkungen im Zuge der Satzbildung sind bei Kindern mit unbehandeltem Dysgrammatismus vermehrt Schwierigkeiten beim Erwerb der Schriftsprache in der Schule zu beobachten. Aber auch in anderen schulischen Fächern kann das Verstehen von komplexen Aufgaben eingeschränkt sein, zum Beispiel im Fach Mathematik bei Textaufgaben.

Als rezeptive Störung werden Probleme des Sprachverständnisses bezeichnet. Kinder mit einer rezeptiven Sprachentwicklungsstörung haben Schwierigkeiten, Wörter, Sätze oder kleine Aufträge richtig zu verstehen. Häufig fallen Störungen im Sprachverstehen nicht sofort auf, da Kinder eine Schlüsselwortstrategie verwenden und sich an den Gesten, dem Tonfall (Frage, Antwort, Aufforderung etc.) und dem Kontext orientieren können.

In der Entwicklung von Sprache geht das Sprachverständnis der produktiven Sprachverwendung deutlich voraus. Anders gesagt, es geschieht mehr im Kopf des Kindes als aktiv gesprochen wird.

Sprachverständnis auf Wort-, Satz- und Textebene

Störungen im Bereich des Sprachverständnisses betreffen die Wort-, Satz- und Textebene. Viele Kinder mit Sprachverständnisschwierigkeiten haben Mühe, innere Bilder und Vorstellungen aufzubauen. Auf Wortebene können die betroffenen Kinder einem gehörten oder gelesenen Wort keine korrekte Bedeutung zuordnen. Dies betrifft je nach Entwicklungsstand und Ausprägung der Störung den Alltagswortschatz oder später mehr die selten vorkommenden Wörter.

Zudem kommt es zu Problemen, wenn Wörter ähnlich klingen („Die Frau sieht den Hund/„Die Frau zieht den Hund“) oder wenn das Wort in gebeugter Form vorkommt („schwimmen“/„schwamm“) oder ein Wort oder eine Aussage mehrere Bedeutungen hat: „Vor der Schule“ kann entweder vor dem Gebäude oder vor Beginn der Schule bedeuten.

Komplexe Informationen werden nicht verstanden

Bei Sprachverständnisproblemen auf Satzebene kann das Kind Sätze nicht genau verstehen, obwohl ihm die darin enthaltenen Wörter bekannt sind. Dies kann zu Missverständnissen führen wie bei dem Beispielsatz: „Du kannst spielen gehen, nachdem du abgeräumt hast.“ Das Kind versteht aber nur, dass es gleich spielen gehen kann. Kinder mit Sprachverständnisstörungen können meistens nur eine begrenzte Anzahl von Informationen pro Satz verarbeiten. Daher ist das Verstehen von Texten erschwert.

Eine Lautdifferenzierungsstörung wird auch als eine Störung der „phonologischen Bewusstheit“ bezeichnet. Die phonologische Bewusstheit beschreibt konkret die Fähigkeit des Kindes, einzelne Laute aus einem Wort heraus zu hören und zu unterscheiden, die Lautstruktur (zum Beispiel langer und kurzer Laut) und deren Betonung zu erkennen. Zu der phonologischen Bewusstheit wird auch das Erkennen von Reimpaaren, das Segmentieren von Silben und das Wahrnehmen von Anlauten und Endlauten sowie die Lautsynthese gezählt.

Einzelne Laute können nicht identifiziert werden

Entsprechend geht eine Störung der phonologischen Bewusstheit fast immer mit Problemen beim Schreiben und Lesen einher. Typischer Weiser finden sich bei Kindern mit Störungen der Lautdifferenzierung sehr fehlerhafte Diktate bei ansonsten gut aufgebauten und formulierten Aufsätzen. Häufig ist das Erlernen von Fremdsprachen erschwert.

Wenn das Sprachgedächtnis eingeschränkt ist, fällt es dem Kind schwer, seinen Wortschatz zu erweitern, neue Formulierungen zu erlernen, grammatikalische Regeln zu erwerben oder sprachlich gestellte Aufforderungen zu erfüllen (vor allem, wenn es komplexe Aufforderungen sind). Betroffene Kinder zeigen im Alltag Schwierigkeiten beim Merken von auditiven Informationen – beispielsweise bei der Wiedergabe von Hausaufgaben, Telefonnummern oder gemeinsam Erlebtem.

Hohe Bedeutung der Merkfähigkeit für die Sprachentwicklung

In Studien wurde gezeigt, dass Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung deutlich mehr Probleme in der auditiven Merkspanne haben. So können Kinder mit einer verminderten Merkspanne schlechter Kunstwörter und Zahlenfolgen nachsprechen und sie können nur kurze Ausschnitte aus Sätzen im Arbeitsgedächtnis speichern und verstehen. Die Bedeutung der Merkfähigkeit für eine normale Sprachentwicklung ist enorm. Je größer die Fähigkeit ist, sprachliche Informationen zu speichern, umso kompliziertere Denkvorgänge sind möglich.

Kinder, bei denen die Zunge an oder zwischen den Zähnen positioniert ist und die Probleme mit der Zischlautbildung (Sigmatismus, Lispeln) haben, leiden unter einer myofunktionellen Störung. Diese Beeinträchtigung der Zungenmotorik ist häufig kombiniert mit weiteren Funktionsstörungen des orofazialen Muskelgleichgewichts wie einem ständig offenem Mund oder vermehrter Speichelbildung.

Diese Problematik der Ansteuerung der Zungen- und Mundmotorik kann mit Anomalien der Zahnstellung, des Kiefers, des Gaumens und der Zischlautbildung einhergehen.

Organische Faktoren sind häufig die Ursache

Als Ursachen einer myofunktionellen Störung finden sich organische Faktoren wie eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, ein Morbus Down oder besonders oft vergrößerte Rachenmandeln (Polypen beim Kind). Häufig führt die Verlegung des Nasopharynx zu einer vermehrten Mundatmung. Selbst nach einer operativen Entfernung der Rachenmandeln besteht dann die Möglichkeit, dass die Mundatmung bestehen bleibt, da die neuromuskuläre Ansteuerung der Zungen- und Mundmotorik erst neu angebahnt und erlernt werden muss.

Auch funktionelle Gründe wie ein herabgesetzter Muskeltonus kann für eine myofunktionelle Störung eine Rolle spielen. Zudem können ungünstige Angewohnheiten wie Daumenlutschen die Entwicklung der Zungen- und Mundmotorik sowie die Ausformung des Kiefers beeinflussen.

Abweichender Schluckvorgang kann ebenfalls zu Störungen führen

Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Schluckvorgang. Wenn die Zunge beim Schlucken anstatt gegen den Gaumen oberhalb der Schneidezähne oder zwischen die Zähne drückt, führt dies zu einem unausgewogenen Muskelgleichgewicht (abweichender Schluckvorgang), der sich wie folgt äußern kann: Fehlstellungen der Zähne (offener Biss), Deformationen im Knochenwachstum des Kiefers und Rückfälle nach Zahn- oder Kieferregulierungen.

Bei Verdacht auf einer Sprachentwicklungsstörung sollte immer eine gründliche HNO-ärztliche Untersuchung erfolgen. Diese wird durch eine differenzierte Hörtestung ergänzt. Es wird die Mittelohrbelüftung gemessen (Impedanzmessung), eine objektive Überprüfung des Innenohres seitengetrennt durchgeführt (TOAE-Messung) sowie eine Hörschwelle bestimmt. Diese Messung ist abhängig vom Alter des Kindes. Bei Babys ist nur eine Reaktionsaudiometrie möglich. Zwischen 2–4 Jahren kann eine Spielaudiometrie im Freifeld durchgeführt werden. Ab 4 Jahren, manchmal sogar schon früher, ist mit Kopfhörern eine seitengetrennte Bestimmung der Hörschwelle möglich.

HNO-Untersuchung wird ergänzt durch ausführliche Sprachtestung

Im zweiten Schritt ist eine Diagnostik der Sprache wichtig. Schon während der HNO-Untersuchung kann ein erster Eindruck von der Spontansprache des Kindes gewonnen werden. Mit den ersten Untersuchungen der Sprache wie dem Anschauen von Bildkarten und dem Nachsprechen von Unsinnswörtern oder Sätzen sowie dem Merken von Zahlenreihen kann eine grobe Aussage über die Sprachkompetenzen in den verschiedenen Bereichen des Kindes gewonnen werden.

Sprachtestung – verschiedene Testverfahren

Mit Hilfe von speziellen Sprachtests kann dann eine vertiefte Analyse der problematisch erscheinenden sprachlichen Bereiche erfolgen.

Elternfragebogen zur Erkennung von Late Talkes (SBE-2-KT)

Bei den Elternfragebögen handelt es sich um diagnostische Screening-Verfahren zur Früherkennung von Kindern mit Sprachentwicklungsverzögerungen im Alter von 21–24 Monaten. Der SBE-2-KT besteht aus einer Liste mit 57 Wörtern und einer Frage zu Mehrwortäußerungen. Die Eltern sollen ankreuzen, welches der Wörter ihr Kind schon spricht und ob es Mehrwortverbindungen bereits benutzt.

Elternfragebogen zur Früherkennung von Sprachgestörten Kindern (SBE-3-KT)

Dieser Elternfragebogen ist ebenfalls ein diagnostisches Screening-Verfahren zur Früherkennung von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen im Alter von 2,6–3,3 Jahren. Der SBE-3-KT besteht aus einer Liste mit 82 Wörtern und 15 Fragen zu grammatischen Fähigkeiten. Die Eltern sollen ankreuzen, welche Wörter ihr Kind schon spricht und welche von den vorgegebenen grammatischen Varianten ihr Kind benutzt.

Testung der Spontansprache mit Bildkarten

Überprüfung der Spontansprache mit den verschiedenen Bereichen Sprachverständnis, Artikulation, Wortschatz, Grammatikkompetenz und kommunikativer Interaktion. Bei dem gemeinsamen Betrachten von Bildern können Kind und Prüfer „ins Gespräch kommen“ und es werden darüber hinaus die Hemmungen vor weiteren Sprachprüfungen abgebaut.

Testung des Sprachverständnisses mit SETK 3-5

Der SETK überprüft das Sprachverständnis bei Kindern. Dazu werden je nach Alter in verschiedenen Untertests die rezeptive und produktive Sprachverarbeitungsfähigkeiten sowie die auditive Gedächtnisleistungen geprüft.

Mit dem SETK 3-5 ist es möglich, im kritischen Altersbereich zwischen drei und fünf Jahren valide und reliabel das erreichte Sprachentwicklungsniveau festzustellen und in einen kausalen Erklärungszusammenhang mit auditiven Gedächtnisleistungen zu bringen. Dabei spielt das phonologische Arbeitsgedächtnis für Nichtwörter eine ganz entscheidende Rolle.

Aktiver Wortschatztest (AWST-R)

Das Testverfahren AWST-R dient zur Bestimmung des expressiven Wortschatzumfangs im Kindergartenalter. Der Einzeltest beinhaltet 75 Items, welche auf Bildern zu sehen sind und von dem Kind benannt werden sollen. Dabei handelt es sich um 51 Substantive und 24 Verben. Die quantitative Auswertung dient der Beurteilung des expressiven Wortschatzumfangs, die qualitative Auswertung ist ein nützliches Instrument zur Therapieplanung.

Test zur Überprüfung des Grammatikverständnisses (TROG-D)

Im TROG-D kann die Grammatikkompetenz getestet werden. So kann standardisiert das Verständnis der morphologisch-syntaktischen Strukturen des Deutschen sowohl quantitativ als auch qualitativ untersucht und geprüft werden. Das Diagnostikverfahren TROG-D wurde für Kinder im Alter von 3,0–10,11 Jahren entwickelt, wird aber auch bei Erwachsenen, die von einer Aphasie oder einer Hörstörung betroffen sind, eingesetzt.

Heidelberger Vorschulscreening (HVS)

Der HVS (Heidelberger Vorschulscreening) kann die Sprachkompetenz von Vorschulkindern zwischen 5,2–6,11 Jahren überprüft werden.

Als Screening hat das HVS das Ziel, einen Überblick über den Entwicklungsstand eines Kindes vor allem im Hinblick auf seine sprachanalytischen und auditiv-kinästhetischen Wahrnehmungsfähigkeiten zu geben. Auffälligkeiten in den Untertests können einen Einfluss auf die Schulfähigkeit des Kindes anzeigen. Das Prüfverfahren setzt sich aus sieben Leistungsbereichen zusammen: Auditive Merkspanne, Expressive Anlautanalyse, Silben segmentieren, Phonematische Differenzierung, Artikulomotorik, Wortfamilien erkennen, Reimwörter erkennen.

Heidelberger-Lautdifferenzierungstest (HLAD)

Dieses normierte und standardisierte Verfahren dient der Diagnostik von Lautdifferenzierungsstörungen im Grundschulalter und ist daher von der ersten bis zur vierten Klasse normiert. Dabei werden zwei Untertests durchgeführt: einer zur Lautdifferenzierung, der zweite zur Lautanalyse.

Lautdiskriminierungsprobleme können durch mangelnde auditive oder kinästhetische Wahrnehmungs- und Analyseleistungen verursacht sein. Bei Auffälligkeiten findet sich ein starker Bezug zu Lese-Rechtschreib-Störungen.

Test für Phonologische Bewusstheitsfähigeiten (TPB)

Der Test für Phonologische Bewusstheitsfähigeiten (TPB) überprüft bei Kindern von 4–7,9 Jahren unterschiedliche Ebenen und Aspekte der phonologischen Bewusstheit. Diese sind Vorläuferfähigkeiten für den Lese-Schreiberwerb. Vor dem eigentlichen Beginn der Untersuchung findet ein Wortschatztest statt, um überprüfen zu können, ob das Kind über den im Test benötigten Vokabelumfang verfügt.

Auditive Merkspanne und Prüfung der Lautdifferenzierung (Mottier-Test)

Der Mottier-Test zur Prüfung der phonologischen Verarbeitung ist ein in der klinischen Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen, vor allem bei AVWS, eingesetztes Instrument. Es besteht aus 30 Nachsprechaufgaben von Pseudowörtern in zunehmender Länge. Aufgrund der raschen und unkomplizierte Durchführbarkeit wird der Mottiertest häufig verwendet. Über die Validität und Reliabilität wird diskutiert.

Zahlenfolgen-Gedächtnis (ZFG)

Dieser Test zu Prüfung der auditiven Merkspanne entstammt dem PET (Psycholinguistischer Entwicklungstest). Der Zahlenfolgetest wird bei Kindern zwischen 3 und 9 Jahren angewendet. Wie auch beim Mottier-Test werden die auditive Sequenzierung und die Merkspanne geprüft. Dem Kind werden immer länger werdende Zahlenfolgen vorgesprochen, die es korrekt nachsprechen muss. Der Unterschied zum Mottier-Test besteht darin, dass das Ergebnis des Tests unabhängig von Phonemidentifikation oder -differenzierung ist.

An den Anfang scrollen